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Was passiert, wenn ich nicht in meiner Freude bin

09.08.2019

Es ist Freitag Nachmittag, und der Tag ist eigentlich ganz gut gelaufen. Es steht nur noch ein Meeting an, mit meinen Mitarbeitern, für das Marketing unseres Website-Systems. Ich bin guter Dinge - und merke nicht, wie müde und geschafft ich schon bin.

Das Meeting verläuft dann leider nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Auch die Mitarbeiter sind müde, und die Ideen halten sich in Grenzen, so dass ich gefühlt die Einzige bin, die etwas zu dem Meeting beiträgt.

Dann dieser eine Gedanke. Immer muss ich alles alleine machen. Ich kenne ihn bereits. Und ich weiß, dass er nicht wahr ist, und doch übernimmt er mein System innerhalb von Millisekunden, ohne dass ich was dagegen tun kann. Ich bin von einem Augenblick zum anderen voll in meinem Opferbewusstsein gefangen, tue mir selbst leid, fühle plötzlich auch meine Erschöpfung und beende das Meeting - und die Woche - voller Frust.

Das ist mir genau so passiert. Ich konnte mich immerhin schon in die Rolle des Beobachters begeben und mir dabei zusehen, was dann geschah:

Der Wocheneinkauf steht noch an, obwohl mir so gar nicht mehr danach ist. Menschen können mir heute für den Rest des Tages gestohlen bleiben.

Zuerst halten wir bei DHL, was bei uns mitten in der Innenstadt liegt, und zu dieser Zeit ist dort besonders viel Betrieb. Mein Mann lässt mich also aus dem Auto aussteigen, um das Paket abzuholen, weil er nicht gleich einen Parkplatz findet. Als ich hinter unserem Auto die Straße überqueren will, werde ich volle Kanne angehupt - der Autofahrer steht direkt neben mir, also hinter unserem Auto, und will vorbei. Ich kriege einen Heidenschreck und denke - so ein A..., so ein blöder, rücksichtsloser Idiot, zeige ihm einen Vogel und überquere die Straße. 

Bei DHL ist eine Schlange. Vor mir steht eine Mutter mit einem Kleinkind an der Hand. Die Mutter ist geistig nicht anwesend, das Kind hat in seinem verschmierten Händchen ein Stück Zuckerkuchen und patscht mit dem anderen Händchen alle möglichen Waren an. Bloß nicht mich, denke ich und nehme angewidert Abstand. Aber ich gucke wohl böse genug (oder strahle es über meine Aura aus), dass das Kind gar nicht auf die Idee kommt, in meine Nähe zu kommen.

Als das Paket abgeholt ist, fahren wir weiter zum Wocheneinkauf. Ich bin auf 180, wegen des Autofahrers und der klebrigen Kinderhände, und überhaupt - sind die Menschen nicht alle wahnsinnig rücksichtslos? Egoistisch, blind und unbewusst? Ich fahre mit dem Einkaufswagen Menschen an, ohne mich zu entschuldigen. Sind doch selber schuld, wenn sie einkaufen gehen, wenn es so voll ist! Sollen sie mir aus dem Weg gehen, heute ist kein Erbarmen mehr von mir zu erwarten.

Wie eine Irre packe ich ungesundes Zeug in meinen Wagen. Dabei ist mir gesunde Ernährung sonst so wichtig. Heute nicht. Heute geht es mir sowieso schon so schlecht, da will ich mir mal was gönnen.

Die Verkäuferin an der Kasse lächelt und hat gute Laune. Blöde Kuh, denke ich, das ist doch alles unecht und aufgesetzt. Ich wechsle kein Wort mit ihr, sie kann mich mal.

Erst zu Hause habe ich Zeit, mich zurückzuziehen und mir anzuschauen, was da passiert ist. Nach und nach realisiere ich, dass ich genau das gleich hätte machen sollen, als der Gedanke und das damit verbundene Selbstmitleid und die Wut hochkamen. Die Gefühle anschauen, fühlen und transformieren. Nicht runterschlucken und mit dem Alltag weitermachen. So tun als ob nichts wäre, hat noch nie wirklich geholfen. Nur wenn wir die Gefühle, die da eh in uns sind, zulassen und annehmen, können sie aufgelöst werden.

Mein inneres Kind brauchte mich. Stattdessen habe ich einen Deckel drüber gestülpt und eine ordentliche Portion Wut oben drauf gepackt, damit der Deckel ja drauf bleibt. Bloß keine Verletzlichkeit zeigen.

Ich beäuge meine Einkäufe. Plastikverpackter Zuckerkram, Zeug, das ich nicht mal mag, aus einer Laune heraus gekauft. Schade für die Umwelt, schade um das Geld. Dass ich mir damit nichts Gutes tue, und mir schon gar nichts gönne, habe ich in meiner Raserei nicht sehen wollen.

Ich habe daraus gelernt. Wenn ich nicht in meiner Freude, nicht in meiner Mitte, bin, tue ich Dinge, die ich eigentlich nicht tun will. Die nicht aus meinem Herzen kommen. Die ich später gar bereue. Ich gehe ungerecht und rücksichtslos mit anderen Menschen um, ziehe andere mit meiner schlechten Laune runter, verbreite Stress und Streit und Aggressivität - Dinge, die ich doch eigentlich nicht mehr haben wollte! Ich gebe zu viel Geld aus, für Dinge, die ich gar nicht brauche, manchmal nicht mal mag.

Mir hilft diese Erfahrung, mehr Mitgefühl für meine Mitmenschen aufzubringen. Rücksichtsloses Verhalten hat nichts mit mir persönlich zu tun. Ich erkenne, dass Menschen in ihrer Ohnmacht einfach so reagieren. Sie verhalten sich so, um sich zu schützen, um die schmerzhaften Gefühle nicht fühlen zu müssen. Das hilft mir, Verständnis und Mitgefühl für sie aufzubringen, statt mich von ihnen anstecken zu lassen. Sie dafür zu verurteilen, bringt niemanden weiter, sondern verstärkt das Ganze nur.

Genauso verurteile ich mich selbst nicht dafür. Erstens - was geschehen ist, ist geschehen. Ich kann es nicht mehr ändern. Nur daraus lernen. Ich kann mir vergeben, und nur das schafft genug Liebe (und Selbstliebe), um die Schmerzen wirklich aufzulösen. Damit daraus eine lehrreiche Erfahrung und kein Kreislauf wird. Mir ist sowas hinterher nie wieder passiert, und die Geschichte ist mittlerweile mehrere Monate her. Das Reflektieren und das Verständnis für mich selbst haben mir geholfen, das Unbewusste ins Bewusstsein zu holen und so zu verändern.

Hast du sowas auch schon mal an dir beobachtet? Oder sogar transformieren können?

Kategorien: Mentale Gesundheit | Schlagworte: Selbstliebe, Selbstreflektion

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